Das Kriegsende, von Helmut Künzel
Helmut Künzel
„Unglaublich, wie ich all dies unbeschadet überstehen konnte“
Helmut Künzel erlebte das Kriegsende als Kriegsgefangener in
amerikanischer Gefangenschaft. Seine Erinnerungen an das Kriegsgeschehen
ergänzte er durch detaillierte militärhistorische Angaben, die hier
z. T. gekürzt wurden.
1.
Bereits seit vielen Jahren habe ich die Absicht aufzuzeichnen, was ich in
dieser Endphase des Zweiten Weltkrieges erlebte, vor allem jedoch wollte ich
ermitteln, welchen Umständen ich es zu verdanken hatte, dass ich diese Hölle
überleben konnte. Neben meinen Erinnerungen besitze ich noch heute meinen
Taschenkalender des Jahres 1945. In diesen hatte ich gelegentlich
eingetragen, wann und wo ich mich befand. Doch ein Soldat im Gefecht hat
kaum Möglichkeiten, sich über die Lage zu informieren. Wesentliche
Aufklärung fand ich in den Veröffentlichungen des ND zum 40. Jahrestag der
Schlacht um Berlin. Mit diesen Informationen über die Bewegungen der
Roten Armee und der 1. Polnischen Armee, die uns gegenüber handelten,
verbunden mit den meinem Taschenkalender entnommenen über meine
Einheit, war ich erstmals in der Lage, mir einen Überblick über das zu
verschaffen, was um mich herum geschah, ohne dass ich es erkennen konnte.
Dadurch gewann ich wesentliche Erkenntnisse über die damaligen
Ereignisse. Doch um diese zu verstehen, fehlten mir Informationen über die
Bewegungen der Wehrmachtsverbände in diesem Bereich. Erst in Jahr 1996
fand ich ein Buch, das wesentliche Wissenslücken schließen konnte. Es war
das Buch des englischen Verfassers Tony le Tissier "Durchbruch an der Oder -
der Vormarsch der Roten Armee" im Ullstein-Verlag 1995. In diesem Buch
wird die Lage auch auf der Seite der Wehrmacht bis auf Batallionsebene
geschildert. Dadurch wurde es mir möglich, die Einordnung meiner Einheit in
die Gefechtsordnung, ihre Bewegungen und deren Ursachen im Wesentlichen
zu erkennen. So weiß ich jetzt, welchen Umständen ich es zu verdanken habe,
dass ich nicht in der Hölle von Seelow verheizt wurde, wie zehntausende
meiner Kameraden, sondern ihr lebend und ohne Verwundung entkommen
konnte.
97
Im folgenden will ich versuchen, die damaligen Ereignisse aus der Sicht eines
Soldaten, gestützt auf seine Erinnerungen und verknüpft mit dem Wissen um
die Zusammenhänge, zu schildern. Dabei geht es mir in keiner Weise um eine
Bewertung der Ereignisse, sondern ausschließlich um die Schilderung meiner
Erlebnisse als einen kleinen Beitrag zum Verständnis meines Lebens und der
Zeitgeschichte.
2.
Es ist Frühjahr 1945. Der Krieg geht seinem dramatischen Ende entgegen. Die
Berliner Operation der Roten Armee steht bevor. Seit dem 27. August 1939 bin
ich Soldat der deutschen Wehrmacht. Als Angehöriger des technischen
Spezialpersonals der Luftwaffe hatte ich bisher Soldatenglück. Allein 12
Monate meiner Dienstzeit wurde ich zu technischen Lehrgängen
kommandiert. Noch vom 5.06.1944 bis zum 4.10.1944 zur Höheren
fliegertechnischen Schule Jüterbog. Dort absolvierte ich erfolgreich einen
Lizenzlehrgang als Flugzeug-Geräteprüfer. Danach wurde ich, wie bereits vor
„Unglaublich, wie ich all dies unbeschadet überstehen konnte“
Helmut Künzel erlebte das Kriegsende als Kriegsgefangener in
amerikanischer Gefangenschaft. Seine Erinnerungen an das Kriegsgeschehen
ergänzte er durch detaillierte militärhistorische Angaben, die hier
z. T. gekürzt wurden.
1.
Bereits seit vielen Jahren habe ich die Absicht aufzuzeichnen, was ich in
dieser Endphase des Zweiten Weltkrieges erlebte, vor allem jedoch wollte ich
ermitteln, welchen Umständen ich es zu verdanken hatte, dass ich diese Hölle
überleben konnte. Neben meinen Erinnerungen besitze ich noch heute meinen
Taschenkalender des Jahres 1945. In diesen hatte ich gelegentlich
eingetragen, wann und wo ich mich befand. Doch ein Soldat im Gefecht hat
kaum Möglichkeiten, sich über die Lage zu informieren. Wesentliche
Aufklärung fand ich in den Veröffentlichungen des ND zum 40. Jahrestag der
Schlacht um Berlin. Mit diesen Informationen über die Bewegungen der
Roten Armee und der 1. Polnischen Armee, die uns gegenüber handelten,
verbunden mit den meinem Taschenkalender entnommenen über meine
Einheit, war ich erstmals in der Lage, mir einen Überblick über das zu
verschaffen, was um mich herum geschah, ohne dass ich es erkennen konnte.
Dadurch gewann ich wesentliche Erkenntnisse über die damaligen
Ereignisse. Doch um diese zu verstehen, fehlten mir Informationen über die
Bewegungen der Wehrmachtsverbände in diesem Bereich. Erst in Jahr 1996
fand ich ein Buch, das wesentliche Wissenslücken schließen konnte. Es war
das Buch des englischen Verfassers Tony le Tissier "Durchbruch an der Oder -
der Vormarsch der Roten Armee" im Ullstein-Verlag 1995. In diesem Buch
wird die Lage auch auf der Seite der Wehrmacht bis auf Batallionsebene
geschildert. Dadurch wurde es mir möglich, die Einordnung meiner Einheit in
die Gefechtsordnung, ihre Bewegungen und deren Ursachen im Wesentlichen
zu erkennen. So weiß ich jetzt, welchen Umständen ich es zu verdanken habe,
dass ich nicht in der Hölle von Seelow verheizt wurde, wie zehntausende
meiner Kameraden, sondern ihr lebend und ohne Verwundung entkommen
konnte.
97
Im folgenden will ich versuchen, die damaligen Ereignisse aus der Sicht eines
Soldaten, gestützt auf seine Erinnerungen und verknüpft mit dem Wissen um
die Zusammenhänge, zu schildern. Dabei geht es mir in keiner Weise um eine
Bewertung der Ereignisse, sondern ausschließlich um die Schilderung meiner
Erlebnisse als einen kleinen Beitrag zum Verständnis meines Lebens und der
Zeitgeschichte.
2.
Es ist Frühjahr 1945. Der Krieg geht seinem dramatischen Ende entgegen. Die
Berliner Operation der Roten Armee steht bevor. Seit dem 27. August 1939 bin
ich Soldat der deutschen Wehrmacht. Als Angehöriger des technischen
Spezialpersonals der Luftwaffe hatte ich bisher Soldatenglück. Allein 12
Monate meiner Dienstzeit wurde ich zu technischen Lehrgängen
kommandiert. Noch vom 5.06.1944 bis zum 4.10.1944 zur Höheren
fliegertechnischen Schule Jüterbog. Dort absolvierte ich erfolgreich einen
Lizenzlehrgang als Flugzeug-Geräteprüfer. Danach wurde ich, wie bereits vor