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facharchäologische Argumente gegen Sondengänger?

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Beitragvon Ebinger1 » Do 1. Jan 2015, 15:17

Argumente Contra und Pro Metalldetektorsuche durch archäologische Laien


1) Informationserhaltung zu jedem Bodenfund

Die in der Archäologie vertretene Einstellung:
1) Die archäologische Wissenschaft braucht von jedem Bodenfund die Informationen zu Lage, Kontext und Fundumständen, die bei Metallsuchen durch Laien oft nicht aufgezeichnet werden und daher verloren gehen, wenn man Metallsuche durch Laien (wenigstens ohne strenge Auflagen) erlaubt.

Aus der Sicht von Prof. Raimund Karl
1) Bei Rettungs- wie bei Forschungsgrabungen wird der Oberboden und auch „ungestörte“ befundführende Schichten oft genug mit dem Bagger abgeschoben, ohne auch nur ordentlich durchsucht zu werden, geschweige denn dass die genaue Lage, Kontext und Fundumstände jedes Bodenfundes genau dokumentiert werden würde. Ja, wir dokumentieren vielleicht in vielen Kontexten mehr als der durchschnittliche Metallsucher, aber auch bei weitem nicht alles; und oft gerade jene Bodenschichten ganz besonders nicht, in denen Metallsucher die meisten „ihrer“ Funde machen. Worüber regen wir uns also auf, wenn die Metallsucher die Funde, die wir sowieso industriell zerstören, ausklauben wollen? Das gleiche gilt für Argument 2), 3), 4) und wenigstens teilweise auch für 5). Mit allen diesen Argumenten ist es also in der Realität nicht weit her.


2) Fundkontext

Die in der Archäologie vertretene Einstellung:
2) Siehe 1) Davon abgesehen ist es auch keineswegs so, dass der „Oberflächen- und Oberbodensurvey“ eine Maßnahme ist, die facharchäologisch sehr häufig durchgeführt wird und auch in einer öffentlich zugänglichen Publikation Verwertung findet, selbst wenn nicht das Baggerplanum der erste Schritt einer archäologischen Maßnahme im Feld ist. Auch mit diesem Argument ist es also in der Realität nicht weit her.


3) Tangierung ungestörter Schichten

Die in der Archäologie vertretene Einstellung:
3) Metallsucher beschränken sich bei ihren Grabungsmaßnahmen oft nicht ausschließlich auf den Oberboden und zerstören daher oft (ob wissentlich oder unwissentlich) „ungestörte“ archäologische Befunde bzw. Stratifikationen. Dadurch geht noch mehr essentielle archäologische Information verloren, weshalb eine (totale) facharchäologische Kontrolle über solche Grabungsarbeiten notwendig ist.

Aus der Sicht von Prof. Raimund Karl
Siehe 1) Insbesondere ist hier eben auch anzuführen, dass die Ausgrabung von „ungestörten“ Befundschichten bei Rettungsgrabungen gang und gäbe ist, wenn nicht überhaupt „sampling-Strategien“ angewandt werden bei denen bedeutende Prozentsätze (manchmal bis zu 90%) der „ungestörten“ Befunde überhaupt nicht ausgegraben werden, sondern der Zerstörung durch den Bagger überlassen werden. Auch totale facharchäologische Kontrolle gewährleistet also keineswegs die „vollständige“ Erhaltung von Befunden und Kontexten. Auch damit ist es also als Argument nicht weit her.


4) Kompetenzmangel

Die in der Archäologie vertretene Einstellung:
4) Metallsucher sind oft nicht ausreichend kompetent, um gefundene Gegenstände sachgerecht zu bergen und dauerhaft zu konservieren. Diese Gegenstände gehen deshalb verloren, was zu verhindern ist, weil dadurch „Allgemeingut“ zerstört wird.

Aus der Sicht von Prof. Raimund Karl
Als ob auf archäologischen Grabungen nicht oft auch un- oder schlecht ausgebildete Grabungsarbeiter auf diese Dinge losgelassen würden; und als ob wirklich jeder Fund der „sachgerecht“ geborgen wird dann im Depot oder Museum einer dauerhaften Konservierung zugeführt wird. Ich zitiere Michael Marius aus den Fundberichten aus Österreich 2011, 32) anlässlich einer Revision bereits konservierter Eisenfunde im zentralen Fundlager des BDA, in dem die meisten dort aufbewahrten Eisenfunde noch nicht einmal erstkonserviert sind: „Es stellte sich bald heraus, dass bereits restaurierte Eisenobjekte zum Teil gravierenden Schaden genommen haben“. Auch mit diesem Argument ist es also keineswegs so weit her wie wir normalerweise tun.


5) Belassung der Funde in situ

Die in der Archäologie vertretene Einstellung:
5) Archäologische Funde und ihre Kontexte sind am besten dadurch geschützt, dass sie unverändert in situ belassen werden. Jede Entfernung von Funden aus ihrer Fundlage ist daher schädlich und muss unter (absoluter) Kontrolle durch das Fach geschehen, insbesondere im Wald und auf der Wiese, wo sie nicht einmal durch die Landwirtschaft gefährdet werden, aber eigentlich auch sonst überall.

Aus der Sicht von Prof. Raimund Karl
5) Das hätten wir gerne, dass Funde in situ am besten geschützt wären. Das war vielleicht in den 1920ern vor der Mechanisierung der Bau-, Land- und Forstwirtschaft und dem Einsatz chemischer Düngemittel so, heute kann man sich das hingegen Abschminken. Gute Erhaltungsbedingungen für Funde und Befunde in situ gibt es natürlich mancherorts, aber selbst im Wald, in dem diese Bedingungen heute gut sind, kann morgen der tonnenschwere Harvester herumfuhrwerken, der nicht nur die Bäume am Strunk abschneidet, sondern diesen dann auch gleich samt Wurzeln aus dem Boden reißt. Die zurückbleibende Kraterlandschaft schaut aus wie unsere Horrorvisionen von Raubgrabungen, wie wir sie aus Kriegsgebieten wie dem Irak kennen. Und moderne Pflüge, wenn der Bauer gerne einmal tiefer pflügt, drehen den Boden locker bis 90 cm unter Humusoberkante um, einmal abgesehen dass Sticksoffdünger den Boden versäuern und somit das ihrige zum Verlust wenigstens der nicht aus Edelmetall bestehenden Funde beitragen. Ja, auf der grünen Wiese im Stadtpark, wo die stärkste Bodenstörung der Tulpen pflanzende Stadtgärtner verursacht, die er dann sparsam mit Substral düngt, da sind Funde und Befunde in situ gut geschützt. Überall anders ist dieses Argument allerdings nur sehr bedingt tragfähig, wenn nicht vollkommen falsch.

6) Entzug von Allgemeineigentum

Die in der Archäologie vertretene Einstellung:
6) Von Metallsuchern aufgefundene Funde verschwinden zumeist in privaten Sammlungen und sind daher nicht der Öffentlichkeit zugänglich. Dies stellt den Entzug eines Allgemeingutes zum privaten Vergnügen Einzelner, also eine „private Aneignung“ von etwas was eigentlich allen gehört dar, und ist schon allein deshalb abzulehnen.

Aus der Sicht von Prof. Raimund Karl
6) Ein paar Zahlen aus österreichischen Museen und staatlichen Funddepots: im Durchschnitt finden sich etwa 2-5% des vorhandenen Fundmaterials in musealen Schausammlungen, der Rest in weitgehend unzugänglichen Depots. Der Katalogisierungsstand dieser Depots übersteigt selten 50%, der Aufarbeitungsstand über die typologische Ansprache hinaus selten 10%, von vielen Funden weiß man nicht einmal, dass man sie hat, geschweige denn wo im Depot sie zu finden sind. Dokumentationsunterlagen dafür, die modernen Vorstellungen gerecht werden, gibt es nur bei einem Teil der Funde, ob diese den Fundgegenständen wieder zugeordnet werden können ist mehr Glückssache als sonst etwas. Wer schon einmal als Magister- oder Doktorarbeit ein Fundmaterial aus einem solchen Depot zu bearbeiten gehabt hat weiß, dass oft Teile der Unterlagen noch „beim Ausgräber“ sein sollen, der das aber leugnet, ganze Fundkisten nicht oder erst Monate nachdem man versprochen bekommen hat dass das jetzt „eh alles“ war auftauchen, manche „Gustostückerl“ verlegt wurden; und ganz davon abgesehen die Dokumentation nicht nur von Haus aus schwer mangelhaft war sondern auch voller offensichtlicher Fehler ist, geschweige denn dass sie noch nachvollziehbar wäre. In den Depots verschimmeln, korrodieren oder verfallen die Funde sonst wie, wenn sie nicht verlegt werden oder verloren gehen. Privatsammlungen sind da zwar auch nicht besser, aber dass sie wirklich so viel furchtbar schlechter wären, so ist es auch wieder nicht. Auch mit diesem Argument ist es alles andere als weit her.


7) Langfristige Konservierung

Die in der Archäologie vertretene Einstellung:
7) Nur öffentliche Sammlungen garantieren die langfristige Konservierung und öffentliche Zugänglichkeit von Fundgegenständen. Daher müssen oder sollten wenigstens alle archäologischen Funde öffentlichen Sammlungen einverleibt werden, damit sie „für immer“ allgemein zugänglich aufbewahrt und erhalten werden.

Aus der Sicht von Prof. Raimund Karl
7) Siehe 6), ich würde ja fast lachen wenn es nicht so traurig wäre. Das österreichische BDA kann nicht einmal sagen, wie viele Funde in seinem Depot jetzt wirklich liegen, sondern bloß „schätzen“. Zahllose Fundkisten stehen in anderen vergleichbaren Fundlagern – so zum Beispiel im Schloss Charlottenburg in Berlin – herum, ohne auch nur aus der Plastikumwicklung genommen worden zu sein, mit der sie umwickelt waren als sie vom Stapler auf der Palette ins Depot geführt wurden. Langfristige Konservierung und öffentliche Zugänglichkeit? Dass ich nicht lache! Auch mit diesem Argument kann man also nicht wirklich Punkten.


8) Weitergabe wissenschaftlich korrekter Informationen

Die in der Archäologie vertretene Einstellung:
8) Herr von all dem muss „die Wissenschaft“ sein, weil diese der Öffentlichkeit dient indem sie die archäologischen Informationen, die im Feld gewonnen, ausarbeitet und dann der Öffentlichkeit wieder zur Verfügung stellt. Diese wissenschaftliche Auswertung ist auch deshalb nötig, weil nur dadurch sichergestellt werden kann dass der Öffentlichkeit nicht falsche Behauptungen als Wahrheit über die Vergangenheit verkauft und diese damit getäuscht wird: die Öffentlichkeit muss sich darauf verlassen können, dass das, was ihr dann erzählt wird, auch wirklich stimmt und nicht bloß irgendeine wilde Spekulation ist.

Aus der Sicht von Prof. Raimund Karl
Wer hat die Wissenschaft zu Gott gemacht? Ja, wir als Wissenschafter sind vielleicht „in ihrem Dienst“, aber „die Wissenschaft“ gibt es nicht anders denn als die Gemeinschaft der Wissenschafter, die sehr partikuläre und parteiliche Eigeninteressen vertreten. Zu sagen „das muss alles im Geist der Wissenschaft passieren“ bedeutet nichts anderes als „das muss so passieren wie wir es wollen, weil wir es so wollen, punktum“. Und in Anbetracht des wissenschaftlichen Aufarbeitungsstandes der meisten Sammlungen, mit dem es wirklich nicht weit her ist (wieder österreichisches BDA: laut internen Quellen sicher weniger als 5%, Tendenz seit langem sinkend, zuletzt auf Basis von publizierten Fund- und Auswertungsberichten von mir auf maximal 2,5% des Neuzugangs aus dem letzten Jahr zu dem Zahlen verfügbar sind geschätzt – weil genau lässt es sich natürlich nicht sagen, weil niemand, auch nicht das Amt selbst, weiß wie viel Material wirklich bei der Türe reingekommen ist), muss man sich wirklich fragen, ob die Wissenschaft wirklich der Herr ist, oder nicht unsere Depots nur eine andere Form von Mülldeponie. Auch mit diesem Argument ist es also keineswegs weit her, sofern man es überhaupt als Argument und nicht nur als verschleierte Wunschvorstellung der Allmacht und des Alleineigentums an „unseren Quellen“ betrachten will.


9) Wissenschaft kontra Profit

Die in der Archäologie vertretene Einstellung:
9) Archäologische Funde aus irgendwelchen anderen Gründen als wissenschaftlichem Erkenntnisgewinn zu suchen ist schlecht, und sie aus wirtschaftlichem Profitinteresse zu suchen nicht nur schlecht sondern böse in einem moralischen Sinn. Wer aus der Zerstörung archäologischer Kulturgüter wirtschaftlichen Gewinn lukriert ist ein schlechter Mensch und hat daher überhaupt keine Rechte an Archäologie.

Aus der Sicht von Prof. Raimund Karl
Auch das verwechselt unsere Eigeninteressen als Wissenschafter mit allgemeingesellschaftlichen Interessen. Dafür ignorieren wir durchaus nicht unwesentliche Menschenrechte wie das Recht auf Eigentum, das Recht auf Erwerb eines Lebensunterhalts, etc. Wir können gerne der Meinung sein dass „das Recht der Allgemeinheit“ dass Informationen über die Vergangenheit nicht mutwillig zerstört werden (das übrigens wenigstens bisher noch kein Menschenrecht darstellt), und das eigentlich viel mehr unseren Wunsch ausdrückt dass alle archäologischen Informationen und Funde uns als Wissenschaftern immer auf Pfiff sofort griffbereit zur Verfügung stehen, während sich alle anderen gefälligst davon fernhalten sollen, wichtig ist, aber das berechtigt uns nicht dazu so zu tun als ob an sich völlig berechtigte Interessen an Eigentum und Erwerb von Lebensunterhalt (lies: Profit machen) schlecht oder gar moralisch verwerflich sind. Vor allem nicht, weil wir ja schließlich (wenigstens wenn wir Glück haben) auch unseren Lebensunterhalt mit der Zerstörung archäologischer Kulturgüter erwirtschaften, oft sogar auch ganz direkt Profit daraus schlagen, wenn wir sie – im Auftrag der Bauwirtschaft und im Namen ihrer „Rettung“ – bei Rettungsgrabungen zur Zerstörung durch den Bagger freigeben. Wir sollten uns also davor hüten hier große Reden gegen den Profit zu schwingen, weil die, die am meisten wirtschaftlich von der Zerstörung archäologischer Kulturgüter profitieren, sind wir selbst. Auch mit diesem Argument ist es also nicht weit her, wenn man nicht auf die eigenen Lebenslügen hereinfällt.


10) Rechtsauslegung

Die in der Archäologie vertretene Einstellung:
10) Metallsuche ist illegal und was verboten ist darf man halt nicht machen. Wer ein Problem damit hat soll die Gesetzeslage ändern, aber bis das nicht passiert ist gilt was gilt.

Aus der Sicht von Prof. Raimund Karl
10) Bleibt, dass es uns manchmal gelungen ist, aus den vorherigen 9 Gründen die Metallsuche gesetzlich verbieten zu lassen (und wo uns das nicht gelungen ist tun wir einfach so, als ob es trotzdem verboten oder wenigstens ein noch nicht „ganz“ verbotenes „Kulturdenkmalsverbrechen“ wäre, als Hobby der Metallsuche nachzugehen). Aber das ist natürlich auch kein gutes Argument gegen die Metallsuche, weil es ist bloß Ausdruck der asymmetrischen Machtverhältnisse, die wir dazu genützt haben, unsere Interessen zu privilegieren und die ebenso berechtigten Interessen anderer Leute zu kriminalisieren und diese oft sogar rechtwidrig zu diskriminieren.

Aus der Sicht von Prof. Raimund Karl
Ich finde alle oder wenigstens die meisten diese Argumente (wenn ich welche vergessen habe, bitte ergänzen, damit ich das auch noch bedenken kann) aus archäologischer Sicht natürlich nicht gänzlich unberechtigt oder sogar sehr richtig und berechtigt. Natürlich brauchen wir kontextuelle Informationen, natürlich gibt es auch im Oberboden Kontexte, natürlich sollen Funde und Befunde nicht zerstört sondern wissenschaftlich aufgearbeitet und der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden, und natürlich sollte man sich an die geltenden Gesetze halten und sie nicht übertreten. Alles keine Frage.
Dennoch scheinen mir alle diese Argumente in der Metallsucherdiskussion höchst scheinheilig und nicht wirklich gerechtfertigt, weil ihnen ein idealisiertes Bild der archäologischen Wissenschaft und vor allem der praktischen Denkmalpflege im Feld unterliegt, das der Realität in Feld, Museums- oder Denkmalamtsdepot und Forschungsstelle / Universität keineswegs entspricht. Gehen wir die Argumente kurz unter Berücksichtigung der Realität und nicht der „idealen Archäologie“ unserer feuchten Wunschträume durch.
Was bleibt also von unserer moralischen oder sonstigen Überlegenheit, wenn man nicht von einem Idealbild der archäologischen Wissenschaft als stets erfolgreichem „Hüter des verlorenen Schatzes“ ausgeht, sondern die oftmals sehr bittere Wirklichkeit anschaut? Eigentlich verdammt wenig! Und was bleibt von den stets gegen die Metallsuche durch Laien ins Feld geführten „archäologischen“ Argumenten? Praktisch nichts.
Nichts von dem Gesagten soll heißen, dass ich persönlich für eine völlige Freigabe der Metallsuche für Jeden auf jeder Stelle, die ihm beliebt, eintrete: ich bin auch für sinnvolle Beschränkungen. Aber wir sollten uns – als Fachgemeinschaft – erstens einmal überlegen, was wirklich sinnvolle Beschränkungen sind; und zweitens andere und bessere und vor allem der Realität entsprechendere Argumente zur Begründung dieser Beschränkungen suchen. Weil derzeit schaut es für mich eher so aus, als ob wir den Splitter im Auge der anderen verurteilen, während wir den Balken in unserem eigenen geflissentlich ignorieren; bzw. laut über den Dreck vor den Türen anderer schimpfen um von dem viel größeren Dreckshaufen vor unserer eigenen Tür abzulenken.
Und ich denke, das liegt daran, dass wir uns zahlreichen unangenehmen Tatsachen über unsere eigene Praxis nicht stellen wollen, bzw. uns nicht mit der noch viel unangenehmeren Frage beschäftigen wollen dass unsere fachliche Ideologie – und es ist eine Ideologie, die wie jede andere keinen universellen Wahrheitscharakter beanspruchen kann, sondern Ausdruck bestimmter partikulärer und parteilicher Interessen ist – einen „totalen“ Denkmalschutz verlangt, der – wenn er denn tatsächlich umgesetzt werden würde – das moderne Leben vollständig unmöglich machen würde; und der daher niemals umgesetzt werden wird, ja gar nicht umgesetzt werden darf, wenn auch wir die Annehmlichkeiten des modernen Lebens weiter genießen wollen. Wenn wir einen realistisch möglichen Denkmalschutz wollen würden, müssten wir einen Haufen fachliche heilige Kühe schlachten, vom unermesslich hohen wissenschaftlichen Wert jedes einzelnen Fundes angefangen über dass wir nicht alles „für alle Zukunft“ aufheben müssen bis hin dazu, dass wir in der Wissenschaft „die Wahrheit“ finden und diese nur dadurch finden können, dass wir auf Basis vollständiger Datensammlung induktive Schlüsse ziehen.
Und in der Praxis tun wir das gezwungenermaßen sowieso, weil uns auch gar nichts anderes übrig bleibt, weil uns Politik, Wirtschaft und Gesellschaft etwas pfeifen würden, wenn wir den "totalen Denkmalschutz" den unsere Ideologie uns gebietet tatsächlich umsetzten würden. Der einzige Bereich, der uns bleibt, in dem wir unsere Wunschträume von "totalen Denkmalschutz" ausleben können ist in unserem Fach selbst, wo das eh überhaupt kein Problem ist, und gegenüber "gesellschaftlichen Randgruppen", die weniger Macht haben als wir (die wir wenigstens staatlich verankerte Strukturen wie Denkmalämter haben, die Leuten die z.B. mit der Sonde gehen und die bisher noch keine ordentliche Lobby zu bilden geschafft haben nicht haben). Und noch dazu erlaubt uns die dichotomische Einteilung in "gute Archäologen" und "böse Metallsucher" uns irgendjemand moralisch und kompetenzmäßig überlegen zu fühlen und dadurch unsere fachliche Identität zu stärken: wir sind die "Guten", die "im Interesse der Allgemeinheit" heroisch, edel und unbedankt "die Schätze der Vergangenheit" retten und sie dann "zum Nutzen der Allgemeinheit" dieser in schön und leicht verdaulich aufbereiteter Form wieder "schenken". Sich in dieser Rolle zu gefallen ist sowohl angenehmer als auch leichter als sich Gedanken darüber machen zu müssen, welche Dinge wir erhalten und welche wir wegwerfen müssen, wo unsere Grenzen (sowohl der Erkenntnis als auch der Befugnisse) liegen; und dass auch andere Menschen nicht nur Rechte haben, sondern auch andere Interessen haben dürfen als wir und, nicht anders als Nachbars Kinder zu Jugendzeiten, auch mit "unserem" Spielzeug in "unserer" Sandkiste auf dem kommunalen Kinderspielplatz spielen dürfen.
So, Entschuldigung für die Länge, aber das liegt mir schon seit Ewigkeiten auf der Leber und vielleicht hat ja jemand eine Entgegnung dazu.

Anmerkung:

Mit Zustimmung des Verfassers, Prof. Raimund Karl, aus einer Facebookgruppe entnommen.
Text wurde aus Gründen der Übersichtlichkeit teilweise verschoben und neu gesetzt, aber nicht verändert.


Zum Verfasser:

http://en.wikipedia.org/wiki/Raimund_Karl
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Beitragvon Manana » Do 1. Jan 2015, 15:48

Ach ja, zu 7) Konservierung gibt es noch ein (un)schönes Beispiel, das einem die Tränen in die Augen treibt :(

Ich will damit nicht sagen, dass diese Funde durch "Laien" bestimmt erhalten geblieben wären, aber wer so mit unserer Geschichte umgeht ...
Und ich möchte auch nicht wirklich wissen, wie oft so etwas passiert :angst:

http://www.archaeologie-online.de/magaz ... ttet-5853/

Prof. Karl scheint mir ein klar denkender, die Fehler der Vergangenheit und Gegenwart sehender und in die Zukunft schauender Mann zu sein :thumbup bezweifel allerdings, dass er bei seinen Kollegen beliebt ist


Gruss Manana :winken:
Nimm das Leben nicht zu ernst, du kommst eh nicht lebend raus.
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Beitragvon Ebinger1 » Do 1. Jan 2015, 17:01

Es äußern sich kaum Kollegen negativ gegen ihn... Man versucht ihn zu ignorieren.

Seine Thesen sind für einige Archäologen schon ein wenig peinlich. :shock:
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Beitragvon Bimmel » Fr 2. Jan 2015, 18:26

Auch mal schön die andere Seite zu lesen/hören nicht immer diese Sorte Gutmenschen die meinen alle Sondelgänger sind Raubgräber etc.
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Beitragvon Ebinger1 » Do 19. Mär 2015, 00:13

Das Thema ist immer noch aktuell... :mrgreen:
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