-Noch vorhandene Waffen, auch Stichwaffen, unbedingt abgeben!
-Kein Ausbruchsversuch -es wird sofort geschossen!
-Den Anordnungen des Wachpersonals Folge leisten!
- Persönliche Wertgegenstände, auch Ehering, verstecken! Trotz eindeutiger
Befehle gibt es US-Soldaten, die versuchen, sich persönliches Eigentum
Kriegsgefangener anzueignen.
4. Mai 1945. Bahntransport zum Lager Bandenitz. Eine große Wiese, einige
Strauchgruppen und ringsum viel Stacheldraht. Wir suchen uns einen Platz
und richten uns ein so gut es eben geht. Deutsche Offiziere sind nicht zu sehen,
vermutlich gibt es gesonderte Offizierslager. Unter den Kriegsgefangenen
bestehen krasse Unterschiede -diesmal nicht nach dem Dienstgrad. Der
Unterschied besteht in der Ausrüstung. Am schlechtesten sind die dran, die
wie unsere Einheiten aus dem Gefecht mit anschließender Flucht ohne ihren
Tross direkt in Gefangenschaft gerieten. Außer dem, was wir am Leibe tragen,
besitzen wir nur Brotbeutel, Feldflasche, Kochgeschirr, Löffel und Zeltbahn.
Also das kleine Kapitulationsgepäck, wie es im Landserjargon sarkastisch
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bezeichnet wurde. Andere, insbesondere motorisierte Einheiten, haben zwar
ihre Gefechtsfahrzeuge aufgegeben, doch führen sie immer noch ihre
Trossfahrzeuge mit sich. Auf den Trossfahrzeugen befinden sich unter
anderem die Rucksäcke mit ihrer persönlichen feldmäßigen Ausrüstung. Sie
haben also Wäsche zum Wechseln, Socken, Wasch- und Rasierzeug und
persönliche Gegenstände zur Verfügung. Am besten ausgestattet ist die
Truppe aus der Luftwaffen-Erprobungsstelle Rechlin. Diese hat sich
offensichtlich in aller Ruhe auf das Kriegsende vorbreitet. Jeder Mann ist
komplett neu eingekleidet und ausgerüstet. Wie wir bald bemerken, haben sie
sogar ihre Kriegskasse unter sich aufgeteilt.
Eine neue Einheit ist eingetroffen, mit Lkw für den Tross. Auf diesem
Fahrzeug steht ein Unteroffizier, nimmt einen
Rucksack nach dem anderen,
ruft den daran befindlichen Dienstgrad und Namen auf und wirft ihn dem
Betreffenden zu. Ein Oberfeldwebel wird aufgerufen. Niemand meldet sich -
der
Rucksack fliegt neben das Fahrzeug. Auf diesen Moment habe ich
gewartet, ich schnappe mir den
Rucksack und will mich damit davonmachen.
Sofort wird er mir entrissen, ich muss sehen, dass ich mit heiler Haut
davonkomme.
Nachdem die Truppe wieder genügend mit sich selbst beschäftigt ist, schlage
ich einen Bogen und robbe von hinten unter den Lkw, bis ich den
Rucksackendlich erwische. Mit dem begehrten Objekt krieche ich vorsichtig davon -
geschafft. Essbares befindet sich nicht in meiner Beute, dafür jedoch fast alles,
was man auch als Kriegsgefangener so braucht, sogar ein kleiner Kocher mit
Trockenspiritus ist dabei. Doch der nutzt gegenwärtig noch nichts, da wir
weder Verpflegung noch Wasser haben. Dadurch wird es sehr ungemütlich.
Hier ist außer ein wenig Sauerampfer nichts vorhanden. Also können wir nur
mit knurrendem Magen zusehen, wie die Rechliner ihre immer noch
vorhandenen Reserven an Lebensmitteln verzehren. Doch damit nicht genug,
am Abend spielen sie 17 und 4 mit Tausendern im Einsatz. Aber das berührt
uns weit weniger, weiß doch keiner, wie lange diese bunten Papierchen noch
einen Wert besitzen.
5. Mai 1945 bis 14. Mai 1945. Wir müssen antreten zum ersten Verpflegungsempfang.
Jeder erhält einen Becher Tee und je 8 Mann eine Twenty-four-hour-
Ration. Das ist eine abgepackte Verpflegungsration für einen GI und einen Tag. Abgesehen von der Größe der Zuteilung entäuscht uns der Inhalt. Neben
einigen Keksen, einer kleinen Dose Schinken mit Ei, etwas Schokolade,
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Zigaretten, Kaugummi und ähnliche Späßchen. Das durch 8 zu teilen stellt uns
vor eine fast unlösbare Aufgabe. Wie wünschen wir uns einen Kanten des oft
verfluchten Komissbrotes!
Abgegrenzt durch Stacheldraht, doch innerhalb des Lagers befand sich die
Feldküche der uns bewachenden Einheit. Ab und zu wurden Kriegsgefangene
zum Küchendienst befohlen. Ein seltener Glücksfall, schließlich fällt in einer
Küche immer etwas Essbares ab. Doch nicht ohne Lebensgefahr, wie sich bald
zeigen sollte. Ein zum Küchendienst eingesetzter Kriegsgefangener nutzte die
Gelegenheit, sich aus einer herumliegenden Zigarettenschachtel zu bedienen.
Das wurde bemerkt und hatte böse Folgen. Wir hatten Gelegenheit zu sehen,
wie dieses "Verbrechen" geahndet wurde. Der Täter wurde mitten unter uns
auf einen Hocker gesetzt und musste eine der starken amerikanischen
Zigaretten rauchen. Danach wurden ihm zwei Zigaretten gleichzeitig in den
Mund geschoben. Das setzte sich mit stets steigender Anzahl fort, bis der
Delinquent sich plötzlich im Gesicht verfärbte und vom Hocker kippte. Ein
amerikanischer Sanitäter brachte ihn weg. Später meldete der Buschfunk,
dass er tot sei. Das ist nach allem, was wir mit ansehen mussten, sehr
wahrscheinlich. Wieder hatten wir eine Lektion erhalten, wozu der Krieg
Menschen machen kann. Und nicht nur Deutsche.
Eines Tages erhalten wir Waschwasser - pro Mann ein Kochgeschirr voll. Es
gibt nichts, was ein Soldat nicht kann - so also auch eine Ganzkörperpflege mit
einem Kochgeschirr voll Wasser. Und es geht, erst rasieren, dann waschen von
Kopf bis Fuß mit einem Schwamm, den ich in dem erbeuteten
Rucksack fand.
Irgendwie hungern wir uns von Tag zu Tag durch. Was inzwischen in der Welt
vorgeht, bleibt uns weitgehend verborgen. Gerüchte gibt es genug, angeblich
soll Deutschland kapituliert haben, doch nichts Genaues weiß man nicht.
15. Mai 1945. Heute werden wir wieder einmal verlegt -in das Lager
Radelübbe. Auf einem riesigen Winterweizenfeld ist ein Lager für vermutlich
Hunderttausende Kriegsgefangene vorbereitet. Darunter ist bei weitem nicht
zu verstehen, dass hier alles für einen langfristigen Aufenthalt vorhanden ist.
Gewährleistet ist, dass die Massen von Kriegsgefangenen nach Zehner-,
Hunderter- und Tausenderschaften eingeordnet werden. Das Gelände ist mit
Stacheldrahtzäunen und hölzernen Wachtürmen gesichert. Innerhalb
befinden sich exakt abgesteckte Lagerstraßen und Abschnitte und überall
Soldaten aller Waffengattungen, Teilstreitkräfte und Dienste, soweit das Auge
sehen kann. Also ein geordnetes Chaos.
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Wir werden zum x-ten mal gefilzt. Auch unsere Zeltbahnen werden uns
abgenommen. Noch immer ist es mir gelungen, meine Kleinbildkamera dem
Zugriff der Kontrollierenden zu entziehen. Meine letzten persönlichen
Gegenstände sind die Kamera, leider ohne Film, Armbanduhr, Füllhalter,
Taschenmesser und natürlich meine Brille sowie ein kleiner Taschenkalender,
in den ich ab und zu Eintragungen von Orten und Ereignissen vornehme. Das
werde ich auch weiterhin tun -vielleicht nutzt es mir einmal, um meine
Vergangenheit zu durchleuchten.
16. Mai 1945 bis 24. Mai 1945. Rings um uns knallt es immer wieder mal von
den Wachtürmen. Der Anlass dafür bleibt uns verborgen. Es ist kaum